Gestern nachmittag wollte ich mit "meinen Schwestern" etwas besprechen und ging daher am Nachmittag nach längerer Zeit wieder mal in die Schule. Da die beiden im Unterricht waren, setzte mich die Fr. Direktor in den "Students - Councelling - Room", weil dort die Schwestern nach dem Unterricht hinkommen würden. An einer Pinwand las ich zwei Artikel. Einer ging über das Opfer-Sein, der andere über das Selbst-verantwortete-Leben.
Was ich da las, war die Bestätigung einer Theorie, die ich den letzten Wochen mir zurechtlegte angesichts der hier im Reservat bestehenden Zustände:
Die Menschen hier sind Opfer ungerechter Entwicklungen in den letzten Jahrhunderten - keine Frage. Das Problem aber ist, dass sich die Opferrolle in den Köpfen der Menschen sehr tief eingebrannt hat. Alle Mißstände werden aus dieser Opferrolle heraus verstanden. Ob das nun Alkoholismus, Kindesmissbrauch, Frühschwangerschaften, Drogenmissbrauch, Armut, ... sind - ganz egal: Schuld ist der weiße Mann, die Boarding Schools zwischen 1920 und 1970 ... - Na ja, die Tatsache selbst wird ja bei den meisten Verantwortungsträger zumindest offiziell nicht mehr bestritten (es gibt dazu ja auch Studien und sogar Gerichtsurteile, die das feststellen) - ABER: das Gro´s der indigenen Bevölkerung unternimmt nicht einmal im Ansatz Anstrengungen, aus dieser Opferrolle auszubrechen. Es scheint in einer gewissen Weise bequem zu sein, sich immer nur zu beschweren und die Hand aufzuhalten, als dass der/die einzelne daran geht, diese Rolle als Opfer zu verändern.
Im Gegenteil, ich persönlich werde den Verdacht nicht los, dass dieses ganze System der Reservate und der öffentlichen Unterstützung für alle Beteiligten gewissermaßen eine Art Ruhekissen darstellt. Die Indigenas können leidlich bequem von der öffentlichen Fürsorge leben und die jetzige Mehrheitsbevölkerung erspart sich eine womöglich schmerzliche Auseinandersetzung mit den Defiziten der eigenen Lebensart, sollte wirklich aus dem Neben- ein Miteinander der Kulturen werden (schmerzlich wäre es natürlich auch für die Indigenas, die sich dann der Aufgabe gegenüber sehen würden, ihre Kultur in die Lebenswelt des 21. Jahrhunderts hineinzutransformieren - nicht aufzugeben!) .
Wobei mir natürlich sofort in den Sinn kommt, dass diese Haltung des Opferseins und des darin Verharrens ja nicht etwas ist, dass etwa nur bei den Natives Nordamerikas zu finden wäre - diese Haltung der Victimisierung wird auch in unseren Breiten von jung und alt in nicht unerheblichem Maße praktiziert. Letzendlich gilt aber hier wie dort:
Man kommt nur weiter im Leben (ganz egal ob als einzelner oder auch als Gemeinschaft) wenn man sich aus der Opferrolle befreit und beginnt, Verantwortung für sich selbst und für andere zu übernehmen.
Ich denke eine gute Übung könnte schon mal sein, seine Kinder zu unterstützen, Fehler als eigene anzuerkennen; sich zu überlegen, was man vielleicht selber besser machen kann und dann es auch tun. Notwendig scheint mir auch eine Kultur des Vergebens und Verzeihens, die wohl festhält, wo Unrecht geschieht oder geschehen ist, aber dann auch Lösungen versucht zu erarbeiten, die Neues wachsen und entstehen lässt.
Als Christen, denke ich, dürfen wir die Zuversicht haben, damit nicht allein dazustehen, sondern getragen zu sein von der Kraft Gottes. Wer in seinem Leben auf Gott vertraut, wird entdecken, dass gerade dieser echte und wahre Glaube jene Freiheit schenkt, die uns auf Zukunft zugehen lässt, trotz aller zweifelsohne erfahrenen Ungerechtigkeiten.
God bless you
2018-08-13
vor 6 Jahren
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