Donnerstag, 18. September 2008

Christian Island

Heute möchte ich euch mal ein bisschen mehr über die eigentlichen Kanadier erzählen. Nicht, dass ich mir einbilde, der großes Spezialist zu sein, nein, ich will einfach nur erzählen, was mir erzählt wurde von Bill und einem der Bootsmänner auf der Fähre.
Ich komme - wie meist - nicht darüber hinweg, ein wenig in die Geschichte hineinzugehen. Wie kommen die First Nations überhaupt auf diese mittelgroße Süsswasserinsel? Warum leben sie nicht am Land?

Die Insel wurde scheinbar im 17. Jahrhundert das erste mal kurz von jenen Quendat gemeinsam mit den übriggebliebenen Jesuiten besiedelt. Kurz deswegen, weil sie nur einen Winter dort verbrachten. Der Ausbruch von Seuchen und die mangelnde Infrastruktur forderte in der kleinen Gemeinschaft (dürften etwa 300 gewesen sein) so viele Opfer, dass sie beschlossen, im Frühjahr, auch angesichts der wieder anrückenden Iroquesen, mit ihren Kanus über den French River und Ottawa River wieder nach Quebec (heute Quebec-City) zu fliehen. Die Quendat kamen mit den Jesuiten mit.

Im Laufe der nächsten Jahrhunderten rückten von Norden andere Stämme nach und konnten die Iroquesen wieder bis unterhalb der Niagarafälle - in das Gebiet des heutigen US-Bundesstaates New-York (nicht verwechseln mit der Stadt) zurückdrängen - erst im Zusammenhang mit dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, durften die Iroquesen wieder nach Norden zurück, da sie sich im 18. Jahrhundert mit der Britischen Krone verbündet hatten und somit für die junge amerikanische Nation Feinde waren. Sie durften nur zurück mit der Auflage, keine Stammesfehden mehr anzuzetteln. (übrigens fragte ich auch warum gerade die Iroquesen so oft Krieg führten - Bill erzählte, dass diese Volksgruppe keine Angst kennt - das hat erwiesenermaßen sogar eine genetische Ursache - Angehörige dieses Stammes sind heute noch die begehrtesten Höhenarbeiter beim Wolkenkratzerbau - die gehen tatsächlich auf 15cm Eisentraversen in 200m spazieren, als wäre es ganz normaler Waldboden)

Nun aber zu den Objiwan. Ursprünglich siedelten diese in einer ihnen von der kanadischen Regierung zugewiesenen Reservation am Festland in der südwestlichen Georgian-Bay. Ein sehr brauchbares landwirtschaftlich nutzbares Gebiet. Sie nutzten es zu der ihnen typischen Subsistenzwirtschaft - sie holten heraus, was sie zum Leben gerade brauchten - und das war eigentlich nicht viel. Der fruchtbare Boden aber erzeugte Begehrlichkeiten bei den umliegenden Farmern und unter dem Vorwand, dass sie sowieso nichts mit dem Land so richtig anzufangen wüßten, wurden den (friedliebenden) Objiwan die große Insel Boisieul-Island als Reservation zugewiesen, welche alsbald zu klein wurde und deswegen wurden sie vor etwa 50 Jahren auf 3 Inseln ein wenig weiter südlich angesiedelt, auf denen jetzt eine kleine Gemeinschaft von etwa 500 Familien lebt.

Die Inseln gewährleisten kaum die traditionelle Lebensweise von subsistenzorientiertem Ackerbau, ein wenig Tierzucht (meist Geflügel) und ein wenig Jagd (Fleisch, Pelz) - die meisten versuchen sich mit Gelegenheitsarbeiten durchzuschlagen, viele Arbeitslose, und ein paar Beschäftigte für die Infrastruktur (Schule bis 14, eigene Polizei, Fährendienst, Greißlerei).

Die eigentlichen Kanadier werden in ihrem Land gerade als geduldet angesehen. Faulheit, Trunksucht, Unbeherrschtheit im Essen und vieles mehr wurde kolportiert, und auf den ersten Blick gibt es tatsächlich in der Urbevölkerung gehäuft Probleme wie Arbeitslosigkeit, Alkoholmissbrauch und Fettleibigkeit. Nur das Problem ist ein etwas tieferes. Über Jahrhunderte wurden diese Völkerschaften in ihrer Entwicklung blockiert, ihre Kultur und Lebenweise als primitiv abgetan, die einzelnen Volksgruppen nicht selten für militärische Zwecke eingespannt usw. usf. - die Gäste (Europäer) führten sich auf wie die Vandalen, und erklärten dieses Verhalten zur Zivilisation - (nur ein kleine Beispiel - ihr kennt sicher von den Indianderfilmen das skalpieren - das ist kein Brauch der First Nations - das haben die europäischen Kolonisten eingeführt, um "Abschüsse" mit den Kolonialbehörden abrechnen zu können).

Ab dem 19. Jrh. wurde versucht, die First Nations immer mehr zu assimilieren. Die Kinder wurden ihren Eltern entzogen, um sie in Boarding Schools zu ordentlichen und nützlichen Mitgliedern der angelsächsischen Gesellschaft zu machen. Das ging eigentlich mehr oder weniger fast bis in die 1980er so weiter. Erst in den 1990ern kam es zu einem Umdenken und als Resultat dieses Umdenkens wurden gerade im Norden eine Vielzahl von fast autonomen großen Reservationen errichtet und die Inuit erhielten sogar einen eigenen Bundesstaat (2 093 190km2, knapp 30 000 Einwohner - dort heißt es sich warm anziehen) - auch mit weitgehender Autonomie.

So besteht nun zumindest am Beginn des 21. Jahrhunderts von den äußeren Bedingungen wieder etwas bessere Voraussetzungen zur Entwicklung eines guten Selbstbewußtsein in der indigenen Bevölkerung.

Zur Illustration noch eine Anmerkung: Europäischstämmige Kanadier sind nicht fähig ohne einen erheblichen Aufwand an Infrastruktur auch nur einen Bruchteil des Landes zu besiedeln. Dieses Land hat nun mal sehr kalte und lange Winter bis weit in den Süden hinab. Die First Nations bringen von ihrer Kultur, von ihrem eigentlich jahrtausende Jahre alten Wissen und letztendlich auch mit ihren körperlichen Voraussetzungen das besser fertig. Das sollte sich der "weisse Mann" immer bewusst sein. Und gerade im Umgang mit der Natur, ohne jetzt da irgendeinen esoterischen Quatsch daherreden zu wollen, könnte unsere Zivilisation von dieser uralten Kultur noch sehr viel lernen.

Den Rest erzähle ich euch, wenn ich wieder daheim bin....

Mittwoch, 17. September 2008

Fia´n BamBam, Stoaninger Sepp und wem´s hoit no interessiert

Heite hot mi da Diakon von Midlend zu Feiawea brocht, damit i duat a poa Büldn mocha kau (in Toronto geht des net wirklich, do kennt kana kan - oba do woas leicht meglich) und dea Feiwera do hot ma wiaklich ois zoagt (da Diakon hot gmoant, dass dea glei ocheckt hot, dass i net gaunz auf da Nudlsuppn daheagschwumma bin - wei sunst het dea mia net ois so genau zoagt und gschüdat). I hoff´, dass eink de Büdln gfoin - vielleicht kim i im Laufe des Joars nau zu a poa aundan a, daunn stöh i´s a glei in´s wödweidenetz.

Seg´n eink Gott

A so den link zu den Büldn brauchts jo a no

Sonntag, 14. September 2008

Heute Abend ist mal Zeit zum räsonieren ...

Heute hat zur Vorabendmesse Diakon Bill gepredigt - ehrlich gesagt, wäre mir lieber gewesen, ich hätte das gemacht - eine richtige neokonservative Brandrede - also der hat eigentlich nix auslassen: Abtreibung, Homo-Ehe, Wahlkampf (ja - auch in Kanada wird vorzeitig gewählt - im Oktober) und und und ...
Eigentlich ist heute das Fest der Kreuzerhöhung - also außer einem bemühten Einstieg über das Evangelium (er brachte es wirklich fertig, den Kern der Nikodemuserzählung moralisch-ethisch zu deuten - was theologisch ich glaub´ sogar sichtbare Magenkrämpfe bescherte) - aber lassen wir das Detail (ich muss mir das noch 3x geben - wauw).

Eines bemerke ich hier schon - vor allem, weil es mir mit der Sprache zunehmend besser geht: Dem Englischen scheint mir einiges zu fehlen. Abgesehen einmal davon, dass ich drauf komme, dass diese Sprache ohne Latein aber schon gar nicht funktioniert, scheint mir vor allem der Fokus auf möglichst effektivem Handeln zu liegen (merkt man auch daran, dass die gebräuchlichsten Verben selten der lateinischen Sprache entnommen sind, wohl aber sehr viele - auch gebräuchliche Eigenschaftsworte und auch Verben - vor allem, wenn sie Dinge zu benennen versuchen, die mit Denken, Überlegen, Planen ... zu tun haben).

Und das merke ich auch bei den Predigten: Ganz egal ob in Toronto oder in Midland - die Moral ist da schon mal schnell zur Hand - weil die ist so schön schnell begreifbar (und bezüglich dem typischen Messpublikum haben moralisierende Predigten auch noch den Vorteil, größtenteils "die Anderen" zu betreffen). Mit meinen, eher selten - und dann eher auf eigene Haltungen und Tugenden abzielend - moralisierenden Kurzpredigten, scheine ich hier tatsächlich einen etwas anderen Akzent zu setzen (vor allem kommt hier in Midland auch noch eine Portion Humor dazu - heute war tatsächlich schon die zweite Messe, wo die Leute gelacht haben - ja ich weiß schon, ein bisserl spiele ich mit meinen - eigentlich scheinbar doch nicht mehr so schlechten - Sprachkenntnissen).

Es scheint tatsächlich in Nordamerika ein Art Kulturkampf sich abzuzeichnen, liberal bis liberalistische Kräfte einerseits und konservativ-verkorkste andererseits, wobei, um dem letzten ein Gesicht zu geben, Obama und McCain eher gemäßigt Positionen beziehen, hingegen die neuer running mate of McCain, Sarah Palin eine typische Vertreterin dieser immer mehr sich breitmachenden christlich-fundamentalistischen Bewegung quer durch den Halbkontinent zu sein scheint (eigentlich bin ich mir da 100% sicher). In Kanada scheint mir das alles ein wenig abgeschwächt, aber doch irgendwie vorhanden zu sein.

Auch scheint mir die Kirche Nordamerikas, wie sie mir bis jetzt begegnet ist, einen sehr effektiven Schwenk in eine ähnliche Richtung zu nehmen - ich erinnere mich da an manche Tischgespräche im Kloster in Toronto, die auch die Frage nach dem politischen Kampf gegen die allfälligen Gesetze im Zusammenhang mit Abtreibung zur politischen Gretchenfrage hochstilisieren, aber alles weitere ihnen ziemlich egal zu sein scheint - nicht wenige Abtreibungsgegner haben ja keinerlei Berührungsängste mit diversen National-Rifle-Association-Funktionären, Nähe zu Ku Klux Klan, Neighbourhoudwatch ... und anderen Feinheiten kleinbürgerlichen Gehabes in Nordamerika; aber wie gesagt, das scheint ganz egal zu sein.


Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: natürlich ist jedes abgetriebene Kind, eines zu viel, und auch ich habe persönlich kein Verständnis dafür - halte es auch wirklich für Mord. ABER im Gegensatz zu diversen Demonstranten und anderen Gesellen, steht bei mir im Zentrum, dass zuerst einmal auf breitester Basis unsere Gesellschaft und auch die Kirche der Heilung bedarf. Es geht nämlich wirklich einmal um uns selbst - ja, und dann dürfte das ja eigentlich so gut wie gar nicht mehr vorkommen. Aber das wird geflissentlich ausgeblendet. Auf Kanada bezogen, wird der allgemeine Trend immer mehr vom Wettbewerb bestimmt, die Räder drehen sich immer schneller (wie überall auf der Welt) und immer weniger sind die Gewinner (und politisch Bestimmenden) bereit, auch darauf zu achten, dass die Gesellschaft nicht weiter auseinanderfällt.

Da wäre die Lösung zu suchen, aber ... es ist leichter in einer Predigt nix auszulassen (wobei ich sagen muss, dass Bill sich hervorragend um mich kümmert, mich schon an paar Plätze gebracht hat, die mir interessante Einsichten bereitet haben - und ich ihm dafür sehr dankbar bin; auch Krankenseelsorge, 1st Nation sind ihm ein Anliegen - aber wahrscheinlich dürfte es in den Predigtseminaren hier in Nordamerika eher um Appelle als um das Aufschließen des Geheimnisses der Gegenwart Gottes in unserer Welt gehen).

Übrigens, noch ein paar Bilder zu meiner letzten Kanufahrt dazugekommen (da könnt´s mich auch mal wieder sehen ;-D )