Sonntag, 14. September 2008

Heute Abend ist mal Zeit zum räsonieren ...

Heute hat zur Vorabendmesse Diakon Bill gepredigt - ehrlich gesagt, wäre mir lieber gewesen, ich hätte das gemacht - eine richtige neokonservative Brandrede - also der hat eigentlich nix auslassen: Abtreibung, Homo-Ehe, Wahlkampf (ja - auch in Kanada wird vorzeitig gewählt - im Oktober) und und und ...
Eigentlich ist heute das Fest der Kreuzerhöhung - also außer einem bemühten Einstieg über das Evangelium (er brachte es wirklich fertig, den Kern der Nikodemuserzählung moralisch-ethisch zu deuten - was theologisch ich glaub´ sogar sichtbare Magenkrämpfe bescherte) - aber lassen wir das Detail (ich muss mir das noch 3x geben - wauw).

Eines bemerke ich hier schon - vor allem, weil es mir mit der Sprache zunehmend besser geht: Dem Englischen scheint mir einiges zu fehlen. Abgesehen einmal davon, dass ich drauf komme, dass diese Sprache ohne Latein aber schon gar nicht funktioniert, scheint mir vor allem der Fokus auf möglichst effektivem Handeln zu liegen (merkt man auch daran, dass die gebräuchlichsten Verben selten der lateinischen Sprache entnommen sind, wohl aber sehr viele - auch gebräuchliche Eigenschaftsworte und auch Verben - vor allem, wenn sie Dinge zu benennen versuchen, die mit Denken, Überlegen, Planen ... zu tun haben).

Und das merke ich auch bei den Predigten: Ganz egal ob in Toronto oder in Midland - die Moral ist da schon mal schnell zur Hand - weil die ist so schön schnell begreifbar (und bezüglich dem typischen Messpublikum haben moralisierende Predigten auch noch den Vorteil, größtenteils "die Anderen" zu betreffen). Mit meinen, eher selten - und dann eher auf eigene Haltungen und Tugenden abzielend - moralisierenden Kurzpredigten, scheine ich hier tatsächlich einen etwas anderen Akzent zu setzen (vor allem kommt hier in Midland auch noch eine Portion Humor dazu - heute war tatsächlich schon die zweite Messe, wo die Leute gelacht haben - ja ich weiß schon, ein bisserl spiele ich mit meinen - eigentlich scheinbar doch nicht mehr so schlechten - Sprachkenntnissen).

Es scheint tatsächlich in Nordamerika ein Art Kulturkampf sich abzuzeichnen, liberal bis liberalistische Kräfte einerseits und konservativ-verkorkste andererseits, wobei, um dem letzten ein Gesicht zu geben, Obama und McCain eher gemäßigt Positionen beziehen, hingegen die neuer running mate of McCain, Sarah Palin eine typische Vertreterin dieser immer mehr sich breitmachenden christlich-fundamentalistischen Bewegung quer durch den Halbkontinent zu sein scheint (eigentlich bin ich mir da 100% sicher). In Kanada scheint mir das alles ein wenig abgeschwächt, aber doch irgendwie vorhanden zu sein.

Auch scheint mir die Kirche Nordamerikas, wie sie mir bis jetzt begegnet ist, einen sehr effektiven Schwenk in eine ähnliche Richtung zu nehmen - ich erinnere mich da an manche Tischgespräche im Kloster in Toronto, die auch die Frage nach dem politischen Kampf gegen die allfälligen Gesetze im Zusammenhang mit Abtreibung zur politischen Gretchenfrage hochstilisieren, aber alles weitere ihnen ziemlich egal zu sein scheint - nicht wenige Abtreibungsgegner haben ja keinerlei Berührungsängste mit diversen National-Rifle-Association-Funktionären, Nähe zu Ku Klux Klan, Neighbourhoudwatch ... und anderen Feinheiten kleinbürgerlichen Gehabes in Nordamerika; aber wie gesagt, das scheint ganz egal zu sein.


Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: natürlich ist jedes abgetriebene Kind, eines zu viel, und auch ich habe persönlich kein Verständnis dafür - halte es auch wirklich für Mord. ABER im Gegensatz zu diversen Demonstranten und anderen Gesellen, steht bei mir im Zentrum, dass zuerst einmal auf breitester Basis unsere Gesellschaft und auch die Kirche der Heilung bedarf. Es geht nämlich wirklich einmal um uns selbst - ja, und dann dürfte das ja eigentlich so gut wie gar nicht mehr vorkommen. Aber das wird geflissentlich ausgeblendet. Auf Kanada bezogen, wird der allgemeine Trend immer mehr vom Wettbewerb bestimmt, die Räder drehen sich immer schneller (wie überall auf der Welt) und immer weniger sind die Gewinner (und politisch Bestimmenden) bereit, auch darauf zu achten, dass die Gesellschaft nicht weiter auseinanderfällt.

Da wäre die Lösung zu suchen, aber ... es ist leichter in einer Predigt nix auszulassen (wobei ich sagen muss, dass Bill sich hervorragend um mich kümmert, mich schon an paar Plätze gebracht hat, die mir interessante Einsichten bereitet haben - und ich ihm dafür sehr dankbar bin; auch Krankenseelsorge, 1st Nation sind ihm ein Anliegen - aber wahrscheinlich dürfte es in den Predigtseminaren hier in Nordamerika eher um Appelle als um das Aufschließen des Geheimnisses der Gegenwart Gottes in unserer Welt gehen).

Übrigens, noch ein paar Bilder zu meiner letzten Kanufahrt dazugekommen (da könnt´s mich auch mal wieder sehen ;-D )

1 Kommentar:

Regina hat gesagt…

Wirklich sehr nett, dich wieder mal zu sehen!
schöne Zeit wünsche ich dir weiterhin!
liebe grüße aus Traunstein!
Regina