Sonntag, 1. März 2009

Biertisch und Journalismus

Das Politiker undifferenziert und vereinfachend herumpoltern um die Lufthoheit über die Stammtische zu bekommen, ist ja weidlich bekannt. Was ich aber vor zwei Tagen in den kanadischen Nachrichten aus dem Mund des Starkommentators hörte, das hätte in Österreich dem nach oben gespülten Generalvertreter einer Ideologie, die schon 64 Jahre lang auf der Müllhalde der Geschichte verrotten sollte, alle Ehre gemacht.

Zuerst einmal der Hintergrund. Vielleicht habt ihr schon mal mitbekommen, dass Präsident Obama unter anderem einen neuen politischen Kurs bezüglich des Klimawandels und des Umweltschutzes fährt. Unter anderem ist dabei auch das Thema "Dirty Oil" von den Athabascan Oilsands (oder auch tar sands) zur Sprache gekommen.

Worum geht es dabei: Die kanadische Provinz Alberta beherbergt Ölreserven, die zu den weltgrößten gehören. Nur leider liegt dieses Öl in einer etwas ungünstigen Form vor, nämlich als Ölschiefer. Was nichts anderes heißt, als dass das Erdöl in Stein bzw. Sand (ich glaube in der Konsistenz nicht unähnlich unserem Flins) gebunden ist (übrigens gibt es das auch in Österreich, genauer gesagt im Tiroler Bad Pertisau - nur dort macht man daraus Kosmetik). Vorteil ist aber wiederum, dass dieser Ölschiefer zu einem guten Teil per Tagbau erschlossen werden kann. Der abgebaute Ölschiefer wird destiliert und die Abwässer in grossen Teichen (sprich in europäischen Verhältnissen Seen) gebunkert. Da die Abbauzonen fast ausnahmslos in den borealischen Wäldern des Nordens der Provinz liegen, wird durch diese Bergbautätigkeit der Natur auf großen Flächen so großer Schaden zugefügt, dass sich die betroffenen Areale wahrscheinlich über Jahrhunderte nicht erholen werden (das kann man in etwa vergleichen mit der Zerstörung von Grasnaben im Hochgebirge - die bedürfen auch einer ungestörten Regeneration von etwa 30 Jahren - im Falle natürlich der borealischen Wälder mit ihren Fichten und Birken unter den Bedinungen einer Vegetationsphase von Mai bis in Etwa Ende Oktober und Winterdurchschnittstemperaturen von etwa -15° bis -20° kann das natürlich um einiges länger dauern).
Eine weitere Abbaumethode sieht das Einpumpen von Wasserdampf in unterirdische Lagerstätten vor, um das Öl sozusagen aus dem Fels herauszudestilieren. Auch dieses Öl - Wasserdampfgemisch hinterlässt nach dem Herauslösen des Öls eine stinkende giftige Brühe, die ebenfalls meines Wissens in grossen Klärbecken gelagert wird.

Was ist nun genauer passiert: National Geographic, ein bekanntes amerikanisches Magazin (welches auch auf deutsch erscheint - vielleicht kann es jemand besorgen - dann könnt ihr nachlesen) berichtet in seiner gewohnt gut gemachten journalistischen Aufmachung mit vielen, hervorragenden Bildern von diesen Abbauzonen nördlich von Fort McMurray in North Eastern Alberta. Und natürlich ist anzunehmen, dass dies nun einigen Profiteuren dieses Ölabbaus gar nicht so recht ist.

Was ich nun wirklich skandalös finde ist, dass in einer Nachrichtensendung der Chefkommentator des Senders CBC, Rex Murphy ganze 5 Minuten auf das tiefste über den Artikel herzog. Er sprach dabei von den vielen Menschen aus den Maritimes (das sind die Provinzen östliche von Quebec am Atlantik: New Foundland - Labrador, New Brunswick, Nova Scotia und als die kleinste von allen Prince Edward Island) die in Alberta Arbeit gefunden haben, von dem Nutzen, den alle Nordamerikaner von diesem Öl haben (ich auch, ich fahre ja jetzt auch ein Auto, das unter Idealbedingungen zwischen 15 und 16 Liter Normal säuft) und und und. Und zieh natürlich alle, die nicht dieser Meinung sind, gleich mal der Heuchelei, weil sie ja selber Auto fahren, weil im Falle National Geographic auch diese Zeitung selber gar nicht erscheinen könnte, würden nicht in Alberta (Oilberta) die vielen Wälder geopfert ... Insgesamt 5 Minuten bester Sendezeit nur für diese Philipika.

Rein inhaltlich gäbe es natürlich jede Menge hier anzumerken:
Ein paar Dinge seien erwähnt:
  • Zum Argument, dass Menschen aus ganz Kanada dort Arbeit fanden. Warum wird nicht genug unternommen, um die Binnenwirtschaft der Herkunftsregionen zu stärken - Weil eines ist auch klar: die ganzen Ölsiedlungen (auch in meiner Gegend - Zama und Rainbow Lake) sind nur für die Boomzeit aus dem Boden gestampfte Trailersiedlungen, die genau so schnell verschwunden sein werden, wie sie auftauchten (nachdem man den eigentlichen Eigentümern das Land um ein paar Kreuzer und billige Versprechungen abgeluchst hatte)
  • Die Abraumhalden vergiften auf Dauer die Umwelt - es gibt erste Berichte dass in der Siedlung Fort Chipewan es zu einer auffälligen Häufung an Krebserkrankungen über Jahre hindurch kommt (die ist tatsächlich statistisch signifikant)
  • Die traditionellen Jagd- und Fischereigründe der ansässigen Wood-Cree sind auf Generationen geschädigt, womit diesen Ethnien endgültig ihre angestammte Lebensgrundlage entzogen ist.
  • Bei allen lieben und netten Aktionen (z.B. One Million Acts of Green) bleiben die Ansagen der Politik im Bereich Umweltschutz sehr vage (da können Österreichs Grüne noch so gegen unsere Regierung wettern; im Vergleich zu dem in den Medien vermittelten kanadischen Grünprogramm ist eine allfällige Betriebsanlagengenehmigung einer Zementfabrik aus den 70er Jahren ein Grünmanifest)
Alles in Allem, es ist schon interessant, etwas tiefer in ein Land hineinzusehen - und vielleicht habe ich als jemand, der leicht misstrauisch wird, sobald etwas all zu schön und zu gut gefeiert wird, einen sechsten Sinn für so manches ... ich weiß nicht ...

Mit anderen Topics geht´s demnächst weiter

God bless you

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